Maya (15.05.1998 bis 06.06.2018)
„Das Leben und eine Katze – das ergibt eine unglaubliche Summe!“ (Rainer Maria Rilke)
Endlich frei!
Maya (*15.05.1998) lernte ich 2004 kennen, als ich noch als Tierarzthelferin gearbeitet habe. Sie wurde vom Tierheim in die Praxis gebracht und litt an einer hochgradigen Darmentzündung aufgrund unendlichen Kummers.
Maya schrie Tag und Nacht vor Schmerzen.
Ihr massiv entzündeter Enddarm fiel immer wieder vor, sie fraß tagelang nicht und wollte nur noch sterben. Mit einer aufwendigen und langen Behandlung konnte ihr Zustand gebessert und sie wieder in´s Tierheim entlassen werden – nach wenigen Tagen wurde sie jedoch mit denselben heftigen Beschwerden wieder in die Praxis gebracht.
Maya litt entsetzlich! Ich konnte es kaum ertragen, das mitanzusehen und hätte irgendwann beinahe meinen Chef angeschrien, er solle doch dieses arme Tier endlich von seinen Qualen erlösen. Doch wieder geschah ein Wunder:
Sie schaffte es ein zweites Mal!
Maya blieb noch einige Wochen stationär, da sie nicht wieder in´s Tierheim zurückkehren sollte. In meinen Mittagspausen ließ ich sie jeden Tag frei durch die Räume laufen.
Sie genoß es, vom Fensterbrett aus nach draußen zu sehen. Ihre Augen waren voller Sehnsucht.
Damals hatte ich noch keine Möglichkeit, eine Freigängerkatze zu halten, versprach ihr jedoch, sie zu mir zu nehmen, sobald es meine Wohnsituation erlaubte.
Maya wurde zunächst in eine Pflegestelle vermittelt. Dort fühlte sie sich wohl und verliebte sich unsterblich in den hauseigenen Kater Carlo. Die beiden waren unzertrennlich. Leider bestand Carlos Herrchen darauf, daß Maya nicht auf Dauer bleiben sollte und setzte das Tierheim stark unter Druck.
Glücklicherweise war ich in der Zwischenzeit umgezogen und fragte bei den Tierheim-Mitarbeitern nach, wie es Maya denn so ergangen sei.
Die Nachricht, die ich erhielt, schockte mich derart, daß ich nicht lange zögerte und mein Versprechen einlöste: ich holte die Katze zu mir.
Maya litt in den ersten Tagen unendlich unter der Trennung von Carlo und mußte sich zu allem Übel gleichzeitig an meinen Hund gewöhnen. Doch auch diese Prüfung bestand sie dank homöopathischer Unterstützung mit Bravour.
Heute, nun 14 Jahre alt, erfreut sie sich immer noch bester Gesundheit, und kaum ein Mäuschen ist vor ihr sicher. Inzwischen schläft sie mit Lea gemeinsam auf dem Bett, teilt sich mit Bruno das Sofa und macht sich einen Spaß daraus, die Hunde zum Spielen herauszufordern, um sich dann kurzfristig auf ihren Lieblingsplatz in 2 Metern Höhe zurückzuziehen.
An manchen Tagen öffne ich ihr 20 Mal die Tür, damit sie herausgehen oder hineinkommen kann. Aber ganz ehrlich: ich bin gern ihr Portier, und ohne Maya würde mir einiges fehlen!
Juni 2018 – Aktuelles:
Maya signalisierte mir im Frühjahr dieses Jahres, daß sie diese Erde bald verlassen würde. Ihr Lebensplan sei erfüllt, sie habe alles erlebt, was sie sich für diese Inkarnation vorgenommen hatte. Sie war fest entschlossen, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen – ich solle mir keine Sorgen machen, es ginge ihr gut, und sie sei mit ihrer Entscheidung völlig im Reinen.
Maya wirkte entspannt, ruhte in sich, suchte abends auffallend oft meine Nähe. Sie schien die letzten Dinge zu regeln, die es zu regeln gab – ganz souverän und gelassen, so wie sie immer war, seitdem sie bei mir war. Ich merkte, wie sie ganz langsam immer mehr an Gewicht verlor – gleichzeitig sah sie kurz vor ihrem 20. Geburtstag blendend aus und schien vor Gesundheit nur so zu strotzen.
„Wie kann das sein?“, fragte ich mich immer wieder. Sie war in keiner Weise krank, erbrach nicht, fraß gut – es gab meines Erachtens überhaupt keinen Grund für ihre Entscheidung. Es fiel mir sooo schwer, dem zu glauben, was ich wahrnahm. Und doch war es nicht zu leugnen.
Wenige Tage vor ihrem Tod stellte sie dann das Essen ein. Es war für sie alles in Ordnung, und ich wußte endgültig, daß sie nun bald umsetzen würde, was sie sich vorgenommen hatte. Sie war nur noch unterwegs. Ich weiß nicht, woher sie die Kraft dafür nahm. Sie zeigte sich immer wieder sporadisch, um mir mitzuteilen, daß es ihr gut ging, und daß sie noch etwas zu erledigen habe. Ich hatte Angst, daß sie zum Sterben nicht nach Hause kommen, und daß Nachbarn irgendwann ihren Körper in ihrem Garten finden und entsorgen würden, ohne daß ich davon etwas mitbekommen würde. Doch Maya kam zum Sterben nach Hause.
Ich fand sie am Nachmittag vor ihrem Tod schlafend in ihrer kleinen Hundehütte, die sie liebte. Ganze 36 Stunden hatte ich sie nicht gesehen. Sie schien sehr erschöpft und kraftlos. Ich wußte, daß sie bereits auf dem Weg war, als ich sie in´s Haus holte. Ihre Schleimhäute waren nun gelb nach der langen Zeit des Hungerns, ihre wundervolle kleine Seele hatte sich bereits auf die Reise gemacht.
Maya gab mir die Gelegenheit, mich von ihr zu verabschieden, und ihr all das zu sagen, was ich ihr noch zu sagen hatte – nämlich, daß sie die wundervollste, großartigste und tollste Katze der Welt war, und daß ich ihr für jede Sekunde unseres gemeinsamen Lebens aus tiefstem Herzen dankbar war.
Mayas Herz hörte gegen 02:00 Uhr auf zu schlagen. Friedlich, ruhig und entspannt, und frei von jeglichen Schmerzen verließ sie nun endgültig diese Welt und ging nach Hause. Sie ging, wie sie gelebt hat – mit großer Würde und fest entschlossen.
Sie war eine große Lehrerin, eine sehr weise alte Seele. Und ich bin unendlich glücklich darüber, daß ich 14 Jahre zuvor mein Versprechen einlösen konnte, sie zu mir zu nehmen, sobald es meine Wohnsituation erlaubte. 14 wundervolle gemeinsame Jahre, von denen ich keine einzige Sekunde bereit habe. Danke, danke, danke Maya – für alles!